Eiche im Ohl

Willingen-Usseln (51.278480 | 8.696034)

Gastfreundschaft

Alleinstehende Eiche, die über einer goldhaltigenGesteinsschicht wächst.

Dieser Baum zieht Menschen an. Ich kann eine geradezu magnetische Kraft spüren, als ich den Hang emporsteige und mich der Eiche von unten her nähere. Sie hat ihre mächtigen Wurzeln in eine Terrasse gegraben, ein gerades Stück im Steilen, auf dem sie wie auf einem Podest thront, sie breitet ihre Äste aus wie offene Arme, eine gastfreundliche Geste, reckt sie in den Himmel, lässt einige auch in weitem Bogen gen Boden zurückwachsen. Sie bilden einen Schirm. Raum zum Rasten, Ankommen, Atemholen nach dem Anstieg.





Eiche im Ohl - Krone mit Froschblick

Von der Anziehungskraft des Baumes erzählt auch diese Geschichte. Alt ist die Frau geworden, die in dem Häuschen am Fuße des Hanges lebt, 90 Jahre alt, und sie merkt, dass die Kräfte schwinden. Der Tod kommt näher. „Einmal noch will ich zur Eiche“, sagt sich die Alte. Dort hoch, ohne fremde Hilfe. Sie geht los. Alle paar Meter muss sie pausieren. Sie setzt sich auf einen kleinen Schemel, den sie unter dem Arm trägt. Oben angekommen, sitzt sie wohl eine Weile still unter der Astkuppel. Schaut über das sich sanft weitende Tal, das den Blick auf lauter kugelige Hügel freigibt, vorn in allen Farben Grün, weiter hinten ins Blau verblassend, bis sie im Nichts des Horizonts verschwinden. Sie hört das Plätschern der Quelle, die ihr Haus mit Wasser versorgt, das Haus, das sie in dritter Generation bewohnt und das sich als Einsiedler an den Hang schmiegt. Duft der Gräser und Blumen auf den Wiesen ringsumher steigt ihr in die Nase. Dann macht sie sich auf den mühsamen Abstieg. Ihr letzter Besuch beim Baum. Zwei Jahre später stirbt sie.

„Das war meine Großmutter“, sagt Renate Hill, 70, die heute das Häuschen bewohnt, in fünfter Generation. „Es waren immer die Frauen, die diesen Ort bewahrt und an die Nachfolgenden weitergegeben haben.“ Mit der Eiche verbindet sie nicht nur Erinnerungen, nicht nur das frische Quellwasser aus dem Hahn. Sie hat auch die gleiche gastfreundliche Ausstrahlung. Einige Zimmer ließ sie zur Geoinfostube umbauen, wo sie interessierte Besucher gern empfängt; dafür hat sie sich eigens zur Geopark-Führerin weitergebildet. Sie deutet auf einen großen runden Tisch mit gläserner Platte in der Stubenmitte. Steine und Tonscherben sind ausgestellt. „Die bezeugen 400 Millionen Jahre Erdgeschichte, 4000 Jahre Menschengeschichte und“ – sie schmunzelt – „400 Jahre Familiengeschichte.“ Das Haus wurde 1844 gebaut, aber Hill verfolgt die Spuren zurück bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, als Mennoniten und Amische in diese Gegend kamen. Glaubensflüchtlinge. Auch sie fanden offene Aufnahme. Manchmal mit Hintergedanken der Landesherren: Ihnen ließen sich hohe Steuern abpressen – sie konnten ja nicht zurück. Hill ist eine geborene Bender, „ich glaube, das ist ein Name mit mennonitischer Herkunft.“ Um ihre Wurzeln nachzuverfolgen, fährt sie in die USA und ins Elsass.





Goldfund zwischen Steinen

„Die meisten Siedler in unserer Gegend suchten nach Eisen. Und nach Gold.“ Wir stehen bei der Eiche, und sie zeigt mir Stellen auf den umliegenden Hügeln, wo vermutlich gegraben wurde. Erkennbar an dunkelgrünen Flächen im Hellgrün der Wiesen. Fündig sind sie geworden, die frühen Bergleute. Gold liegt hier knapp unter der Oberfläche, aufgrund von geologischen Verwerfungen musste man nicht tief graben. Hills männliche Vorfahren waren Hüttenmeister. Sie selbst arbeitete nach einer landwirtschaftlichen Ausbildung als Regionalentwicklerin, zum Job gehörte die Entnahme von Bodenproben, so entstand auch bei ihr das Interesse an den Schätzen im Erdinneren.

Und die Faszination für das Gold. „Als ich einmal die Filter an unserem Brunnen säuberte, entdeckte ich jede Menge glänzende Partikel. Flitter nennt man diese Mini-Nuggets. Nicht viel wert. Aber ist das nicht toll: Seit Generationen trinken wir hier Goldwasser. Vielleicht“, sagt sie und ihre blauen Augen strahlen verschmitzt, „sind deshalb alle Familienmitglieder so alt geworden.“





Gastfreundschaft auf einer Hängebank an der Eiche im Ohl

Gold passt zu ihr, der großherzigen Gastgeberin, die mir, kaum habe ich ihre üppig tragenden Apfelbäume bewundert, schon eine ganze Tüte mit prallroten Früchten füllt. Gold symbolisiert in allen Kulturen Fülle und Reichtum. Es steht für das Licht, das unseren Wesenskern zum Leuchten bringt. Der Ich-Geist vieler Menschen dagegen glaubt sich ständig im Mangel: als Kind zu wenig von Mutter geliebt, im Beruf zu kurz gekommen, zu wenig Zeit, zu wenig Geld, zu wenig Liebe. Insofern kann Gold, nicht materiell, sondern spirituell betrachtet, ein Heilmittel sein. Es weist den Weg, der eigenen inneren Fülle zu vertrauen.

Renate Hill erinnert sich, dass die Eiche früher schon ein guter Gastgeber war. Arbeiter auf Feldern und Wiesen rings umher kamen mittags dorthin, um zu rasten. Sie packten ihre Pausenbrote aus, kochten Kaffee im großelterlichen Haus. Vielleicht hat sie das auf eine Idee gebracht, die ihre Augen erneut vor Begeisterung blitzen lassen, als sie davon erzählt: „Ich möchte dort ein Dinner-in-Weiß veranstalten. Ein festliches Bankett unter dem Schutzdach der Eiche. Lange Tische, weiße Decken, Goldrand-Service, überall Kerzen, alle sind weiß gekleidet.“ So wie sie davon spricht, spüre ich: Das wird sie in die Tat umsetzen. Zweiter Gedanke: Hoffentlich bekomme ich eine Einladung.

Autor: Michael Gleich

The ego-mind of many people, on the other hand, believes itself to be constantly in lack... In this respect, gold can be a remedy, not materially, but spiritually. It shows the way to trust one's own inner abundance.

Michael Equal

Die Eiche im Ohl erreichen Sie am besten:

Start Wanderparkplatz Düdinghäuser Straße, 34508 Willingen-Usseln

Von hier aus können Sie auch ein Stück über den Uplandsteig wandern und erreichen nach knapp 2 km die Geo-Infostube "Ohl".

Weitere Informationen erhalten Sie über die Tourist-Information Willingen: Tel: 0 5632 9694353, E-Mail: willingen@willingen.de

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